Geschichte des Übersetzens Teil 3 – von der Reformation bis heute

Neben Martin Luther war der Engländer William Tyndale (1494-1536) die wichtigste Person der Reformationszeit. Nachdem er den Bischof von London nicht für seinen Plan, die Bibel aus dem Hebräischen und Griechischen ins Englische zu übersetzen, erwärmen konnte, wurde er der Ketzerei beschuldigt und musste auf das europäische Festland fliehen. In Deutschland traf er auf Luther und übersetzte und veröffentlichte das Neue Testament sowie die ersten fünf Bücher des Alten Testaments. Er wurde jedoch von einem Landsmann verraten und in Brüssel zum Tode verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Tyndale beherrschte acht Sprachen sowie herausragenden sprachlichen und rhetorischen Fähigkeiten. Ebenso wie Luther war sein herausstechendes Stilmerkmal die Klarheit – er übersetzte die Bibel in die Sprache des Volkes, nicht in die Schriftsprache der Gelehrten und hatte dadurch, wie Luther in Deutschland, großen Einfluss auf den Sprachgebrauch in England (vgl. Snell-Hornby, Hönig, Kußmaul, Schmitt, 2005:42)

In der Romantik waren v. a. literarische Übersetzungen auf dem Vormarsch. Ludwig Tieck und A.W. Schlegel übersetzten übersetzten die Werke Shakespeares, Schleiermacher übersetzte Plato, Goethe schrieb deutsche Fassungen von Werken Diderots, Voltaires und Racines und übersetzte italienische, englische und spanische Gedichte in die deutsche Sprache. Außerdem wurden zum ersten Mal theoretische Überlegungen angestellt (42). „Goethe unterschied zwischen mehreren Formen der Übersetzung und betonte die Bedeutung des Übersetzens als Mittel zur Verwirklichung der Universalität“ (42). Der Status und das Potential der Übersetzung erhielt in der Zeit der Romantik eine neue Qualität (42).

Im 20. Jahrhundert erlebte die Übersetzertätigkeit schließlich einen Boom: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, hochentwickelte Kommunikationsmöglichkeiten sowie die Globalisierung machten das Übersetzen zu einer hochspezialisierten Tätigkeit, für die Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden mussten. Nationale und internationale Berufsverbände entstanden, Lehrbücher und Unterrichtsmethoden wurden entwickelt, die Translationswissenschaft erblühte (42). Es „entstanden in den letzten Jahrzehnten Fachzeitschriften und Verbände zur Förderung der Translationswissenschaft, und der ständig wachsende Bestand an Wissen im Bereich der Translation ist in den wichtigsten Sprachen der Welt zugänglich geworden“ (43). Die Übersetzer- und Dolmetschertätigkeit als Ausbildungsberuf und eigene Wissenschaft war geboren.

Quelle:

Snell-Hornby, Mary; Hönig, Hans G.; Kußmaul, Paul; Schmitt, Peter A., (2005), Handbuch Translation, Tübingen, Stauffenburg Verlag Brigitte Narr GmbH

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