Wie uns unsere Aussprache entlarven kann

Wer eine Fremdsprache lernen möchte, muss eine Vielzahl von Wörtern und grammatischen Strukturen verinnerlichen. Wenn aber eine passende Lernsprache ausgewählt wird  und der Lernende zudem genug Zeit investiert, werden bald Erfolge erzielt. Es gibt jedoch eine Sache, die auch fortgeschrittene Lerner schnell als Nicht-Muttersprachler entlarven kann: die Aussprache.

Ein Beispiel: Muttersprachler des Französischen oder Italienischen tun sich, wenn sie Deutsch sprechen, oft mit dem Buchstaben „H“ sowie der Kombination „CH“ schwer. Wird nun ein Französisch-Muttersprachler darum gebeten, ein deutsches Wort oder einen Satz zu sprechen, in dem diese Laute vorkommen, ist er in vielen Fällen schnell enttarnt.

Die Technik, Menschen anhand von sprachlichen Merkmalen einer regionalen oder sozialen Gruppe zuzuordnen, ist keine neue. Ein Wort, das hierzu benutzt wird, nennt sich „Schibboleth“. Dieser Begriff stammt aus dem Hebräischen, bedeutet eigentlich „Ähre“ und ist gleichzeitig ein Beispiel für das beschriebene Phänomen. Der Begriff geht auf eine Bibelstelle zurück, in der die Gileaditer „Schibboleth“ im Krieg als Kennwort benutzten. Die Ephraimiter sprachen das „Sch“ am Anfang als „S“ aus und konnten somit schnell überführt werden.

Falsch ausgesprochene Begriffe sorgten in der Geschichte oft dafür, Feinde zu enttarnen. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Deutsche in den Niederlanden beispielsweise daran erkannt, dass sie den Namen der Stadt „Scheveningen“ nicht korrekt artikulieren konnten. Die Buchstabenkombination am Wortanfang wird nämlich nicht wie das deutsche „SCH“ gesprochen, sondern wie eine Kombination aus „S“ und einem darauffolgenden „CH“.

Es gibt darüber hinaus viele weitere alltägliche Schibboleths. Anhand bestimmter Aussprachemerkmale lässt sich beispielsweise bereits erkennen, aus welchem Teil Deutschlands ein Muttersprachler stammt. So unterscheidet sich die Aussprache der Kombinationen „SP“ und „ST“ sehr stark, auch der Buchstabe „R“ wird je nach Region sehr unterschiedlich ausgesprochen. Mit einem geschulten Ohr lässt sich so schnell heraushören, ob ein Sprecher aus dem Süden oder dem Norden stammt. Den Begriff „Schibboleth“ betont man übrigens in aller Regel auf der zweiten Silbe – hätten Sie es richtiggemacht?

Hintergrund und weiterführende Links:

Einsatz von Schibboleths in Kriegssituationen: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/10757

Das „Meidlinger L“ als weiteres Beispiel für ein Schibboleth: https://de.wikipedia.org/wiki/Meidlinger_L

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